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Michael Borgmann: Bollinger-Bänder interpretieren (2/3)

Teil zwei des Artikels, in dem Martin Borgmann seine Handelsstrategie beschreibt. In diesem Teil beschreibt er, wie man den Chart richtig einrichtet, einschließlich des Hinzufügens von Bollinger-Bändern und Candlesticks.

Technische Analyse Martin Borgmann Centre-Court-Börse


Den Chart präparieren

Hat man nun nach ein wenig Recherche‑Arbeit ein paar Werte gefunden, die möglicherweise für eine baldige Bodenbildung in Betracht kommen, so beginnt man nun mit der eigentlichen Arbeit, dem Präparieren des bisher nur aus Kerzen bestehenden »nackten« Charts. Es ist angeraten und üblich, bei der Darstellung von Charts die logarithmische Variante vorzuziehen.

Bestimmen der letzten signifikanten Hoch- und Tiefpunkte

Hierzu begibt man sich am besten in den Wochen‑ oder Monats‑Chart eines Wertes und schaut, wann die letzte Aufwärtsbewegung exakt begonnen hat und wann sie endete, und definiert diese Marken punktgenau.

Abbildung 1:  Adidas-Monats-Chart mit signifikanten Hochs und Tiefs

Charts Hochs Tiefs Technische Analyse.

Anlegen der Fibonacci-Level

Diese beiden Punkte verbindet man nun mittels der Fibonacci‑Level, die man in Trendrichtung aufzuziehen pflegt, in diesem Fall von unten nach oben. Also kommt auf das Low der Wert »0 Prozent« und auf das Top der Wert »100 Prozent«. Da die meisten ausgeprägteren Korrekturen zu Rückläufen (in Bezug auf die vorherige Gesamtstrecke!) von ca. 38, 50 oder knapp 62 Prozent neigen, ist es angezeigt, sich ebenfalls die Werte »38,2« sowie »50« und »61,8« anzeigen zu lassen.

Der Grund dafür ist einleuchtend, denn die Erfahrung zeigt, dass ab dem Moment, da innerhalb eines Rücklaufs nach einer zuvor starken Bewegung in die andere Richtung eine dieser Prozentmarken erreicht wird, die Wahrscheinlichkeit auf eine Wiederaufnahme der vorherigen Bewegung stärker ansteigt. Gerade Rückläufe um ca. 50 beziehungsweise 61,8 Prozent haben hier eine sehr hohe Trefferquote.

Abbildung 2:  Adidas-Monats-Chart mit zugeschalteten Fibonacci-Level

Fibonacci-Level Technische Analyse.

Nun stehen an den entsprechenden Fibonacci‑Level die ersten groben Marken im Chartbild und dienen zunächst lediglich als provisorische Orientierungsmarken für mögliche Zonen, in denen es zu einer nachhaltigen Bodenbildung kommen könnte. Hierbei sei ergänzend erwähnt, dass ein einfacher Fibonacci‑Level für sich eher keinerlei Unterstützung oder Widerstand darstellt . Dazu wird dieser erst im Verbund mit parallel verlaufenden echten, charttechnisch relevanten Marken oder dort verlaufenden gleitenden Durchschnitten.

Wichtig: Ein Kurs wird also nicht automatisch dazu gezwungen, sich stets exakt einem relevanten Fibonacci‑Level anzunähern oder dann dort auch automatisch zu drehen! Ein temporäres deutliches Unterschreiten solcher Level ist kein Anzeichen dafür, dass er nicht am Ende doch »wirken« würde. Oftmals sieht man erst etwas später, vor allem in den übergeordneten Zeiteinheiten, dass sich eine Fibonacci‑Marke am Ende doch als signifikant erwiesen hat (wie im Beispiel der 50‑Prozent‑Level) und sich schließlich durchsetzen konnte.

Zuschalten und Interpretation der Bollinger-Bänder

Abbildung 3:  Adidas-Monats-Chart mit zugeschalteten Bollinger-Bändern

Bollinger-Bändern Technische Analyse

Die Bollinger‑Bänder (je ein oberes, ein unteres und ein mittleres) sind in ihrer Einfachheit genial und ihre Interpretation ist auch für Laien relativ schnell erlernbar, sofern man ein paar wichtige Dinge dabei beachtet. Sie sind daher ein nützliches und unverzichtbares Werkzeug der technischen Analyse.

In aufwärts gerichteten starken Trendphasen neigen die Kerzen dazu, innerhalb der gewählten Zeiteinheit (vom unteren beziehungsweise von außerhalb des unteren Bollinger‑Bandes kommend) zunächst zum SMA20 und später – nach dessen Durchbruch – hin zum oberen Bollinger‑Band zu tendieren.

So eine starke Trendphase bleibt in der Regel so lange intakt, wie die Kerzen sich zwischen dem Bereich außerhalb des oberen Bollinger‑Bandes und dem Bereich zwischen oberem Bollinger‑Band und SMA20 ausbilden . (Hier ist der jeweilige Schlusskurs in der gewählten Zeiteinheit von Belang, temporäre leichtere Verletzungen des SMA20 nach unten sind zu tolerieren, bis der Schlusskurs in der Zeiteinheit gestellt wurde.)

Solch eine extrem starke Dauer‑Trendphase in Abwärtsrichtung gab es zum Beispiel im Adidas‑Monats‑Chart Ende des Jahres 2008. Im Oktober trat damals der Kurs aus dem unteren Bollinger‑Band heraus und beschleunigte die ohnehin intakte Abwärtsbewegung noch einmal. Charts in dieser Phase sind für die Bodensuche hochinteressant, denn eine Rückkehr zurück in den Be‑ reich oberhalb des unteren Bollinger‑Bandes samt einem Schlusskurs in dieser Zeiteinheit wäre ja ein theoretisches Anzeichen für ein Ende der vorherigen Trendbewegung. Die damalige Monats‑Kerze aus dem November deutete zwar eine Bodenbildung bereits an, weil der Kurs sich von den zuvor erreichten Tiefs recht schnell um rund 15 Prozent nach oben wieder abgesetzt hatte, doch der Schlusskurs lag weiterhin außerhalb der Bollinger‑Bänder. Somit galt es, einen weiteren Monat abzuwarten (oder im Zweifel auf den Wochen‑Chart auszuweichen, um zu schauen, wie sich die Strukturen dort ausgebildet hatten).



Der Monat Dezember brachte dann das, worauf ein Bottom Fisher warten muss: ein mögliches Ende einer zuvor gelaufenen starken Trendphase. Die Dezember‑ Kerze hatte einen großen weißen Körper und schaffte es per Schlusskurs am Jahresende zurück in den Bereich innerhalb der Bollinger‑Bänder.

Per Definition galt fortan die Annahme, dass der Trend nach unten so lange anhalten würde,

  • wie keine erneuten Schlusskurse in dieser Zeiteinheit außerhalb des unteren Bollinger‑Bandes gestellt werden würden
  • und das tiefer liegende Tief der November‑Kerze nicht mehr unterschritten würde.

Abbildung 4:  Adidas-Monats-Chart – Kerzen auf Schlusskurs-Basis

Kerzen auf Schlusskurs-Basis.

Zu so einem Zeitpunkt ist es keineswegs klar, dass nun direkt eine erneute Starktrendphase (nur diesmal eben in Gegenrichtung) einsetzen wird und muss, aber – und das ist maßgeblich bei der angewandten Charttechnik – ab diesem Zeitpunkt bestand zumindest eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür als in den Monaten zuvor.

Ein Trader sollte sich immer ins Bewusstsein rufen, dass keine Methodik, die er anwendet, eine 100‑Prozent‑Garantie beinhaltet, dass diese auch immer für ihn auf‑ gehen wird . Prinzipiell muss er sich diesbezüglich mit jedem Wert, der leicht über der 50‑Prozent‑Marke zu liegen scheint, zufriedengeben. Es ist generell schwierig bei der angewandten Charttechnik, die Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Zahl zuzuordnen. Hier gilt eher die Differenz der gemachten Beobachtungen zum Chart als Maßstab. Sprechen also mehr charttechnisch relevante Dinge für als gegen die gewünschte Richtung, liegt man zumindest theoretisch oberhalb dieser 50 Prozent.

Die Aufgabe des Traders besteht also eher darin, nur dann aktiv zu handeln, wenn die aktuellen charttechnischen Gegebenheiten eine erhöhte Wahrscheinlichkeit hergeben, ihm zu diesem Zeitpunkt einen kleinen, zumindest theoretischen Vorteil zu verschaffen!

Ergänzend sei erwähnt, dass es im vorliegenden Beispiel funktioniert hätte, denn der Wert konnte sich damals aus diesem Trendwechsel heraus in der Folge mehr als verdreifachen.

Die eigentliche Darstellung der Methodik des Bottom Fishings soll aber expliziter anhand des anschließend erfolgten Rücklaufes darauf aus den Jahren 2013/2014 erfolgen. Hierbei wird aufgezeigt, dass und wie man durch Zuschalten und richtige Interpretation von Trendfolge‑Indikatoren wie dem CCI und dem RSI sowie Interpretation der Candlesticks die »Wahrscheinlichkeiten« noch deutlich zu seinen Gunsten erhöhen kann.



Zusammenfassung der Interpretation der Bollinger‑Bänder (fortan im Rest des Beitrags BB genannt):

Die BB sind eher »weich« zu interpretieren, sie bieten also keine direkten Signale an, sondern haben die Besonderheit, dass man das jeweilige Ende der Zeiteinheit (fortan im Rest des Beitrags ZE genannt) abwarten sollte beziehungsweise muss, um die Situation neu bewerten zu können.

Die drei BB sind für sich genommen schon eine recht simple, aber effektive Methode. Ihre volle Wirkung entfalten sie aber erst im Verbund mit weiteren technischen Analysemethoden; hier sollte unbedingt ein bestätigender Abgleich gesucht werden! Wie das funktioniert, wird in den folgenden Abschnitten erläutert.

Die Interpretation muss flexibel erfolgen. Sprich: Entsteht nach dem Schlusskurs in einer ZE ein bestimmtes Signal, so kann es passieren, dass in einer der folgenden ZE dieses Signal wieder negiert wird, manchmal sogar direkt mit der Folge‑Kerze. Somit hat nach jeder ZE eine Neubewertung beziehungsweise ein Abgleich der Chartstruktur zu erfolgen.

Man kann sich vorstellen, wie anstrengend dies gerade in winzigen ZE wie dem 1‑ oder 5‑Minten‑Chart sein kann. Deshalb sind große ZE gerade zum Üben der Interpretation eher besser geeignet, denn man bekommt so zum Beispiel auch ein besseres Gespür dafür, wann die BB mal lediglich temporär geschnitten werden, aber am Ende der ZE doch halten. Dies hilft einem später enorm dabei, einen Trade nicht zu früh einzugehen beziehungsweise zu früh daraus auszusteigen.

Die Interpretationen der BB auf den simpelsten Nenner heruntergebrochen lauten

Gewünschte ZE wählen (hier ist es von Vorteil, eine ZE zu wählen, in wel‑ cher der aktuelle Kurs im Idealfall außerhalb eines der Bänder liegt oder sich seit geraumer Zeit eng am oberen oder unteren BB bewegt, was die Wahrscheinlichkeit eines bestehenden Starktrends erhöht).

Kehrt der Kurs von außerhalb des unteren oder oberen BB zurück in den inneren Bereich der BB, so gilt die Annahme, dass sich selbiger nun in Richtung SMA20 bewegen wird . Im Idealfall geschieht das, während oder nachdem (in der gewählten ZE) zuvor ein bullisher Candlestick bezie‑ hungsweise eine bullishe Candlestick‑Formation entstanden ist. Hier sind Kerzen in Form von großen und kleinen Dojis sowie jede Art von »Hammer‑Candles« gut geeignet (mehr dazu in den folgenden Abschnitten).

Hat der Kurs dann vom oberen oder unteren BB kommend den SMA20 erreicht, wird eine weitere Entscheidung erforderlich (wieder zurück an das beziehungsweise in Richtung des BB, von dem der Kurs zuvor kam oder der Durchbruch und in der Folge das Ansteuern des gegenüberliegenden BB) . Zeigt sich der Kurs hier mehrere ZE unentschlossen, ohne aber wesentlich wieder vom SMA20 abzuprallen, ist das eher ein Zeichen dafür, dass der Kurs früher oder später durch den SMA20 brechen wird und aktuell lediglich eine »Phase der Unentschlossenheit« unter den Marktteilnehmern vorliegt. Auch hier gilt stets jeweils der Schlusskurs der beobachteten ZE!

Die Candles sind nicht »verpflichtet«, innerhalb der unterschiedlichen ZE stets exakt immer das obere oder untere BB anzulaufen, sie können genauso gut durch diese hindurchstoßen oder aber auch kurz vor deren Erreichen wieder in Gegenrichtung beidrehen.

Je dichter das innere und äußere BB sich gemeinsam dem SMA20 nähern (Verengung der BB zu einer Art Tunnel), desto höher wird die Wahrscheinlichkeit für eine baldige Entscheidung in der gewählten ZE, um ein neues Signal zu generieren.

Zusätzlich gilt, dass sich nach solch einer Entscheidung in eine Richtung die BB weit aufspreizen. In der Folge entsteht sehr wahrscheinlich ein neuer Starktrend.

Gerade wenn sich zum Beispiel bei (oder vor) einem vermeintlichen Sig‑ nal (Re‑Entry in die BB oder Durchbruch von SMA20) kein eindeutiger Candle stick ausgebildet hat, sollte man ergänzend zu den BB auf die weiteren zur Verfügung stehenden Indikatoren achten, um dadurch die Wahrscheinlichkeiten besser zu seinen Gunsten abwägen zu können (wie man das machen kann, wird in einem der folgenden Abschnitte beschrieben).

Wie bei jedem technischen Indikator gilt auch bei den BB: Die Candlesticks und ihre Formationen gehen über alles! Ein Indikator entsteht und entwickelt sich durch die Kursbewegung und die kommt nun einmal zuerst. Somit stellt sich zumindest bei der Charttechnik nicht die Frage, was zuerst da gewesen sein könnte, das Huhn oder das Ei. Hier heißt es: Erst war der Chart beziehungsweise Kurs und dann der Indikator!

Findet man in einer ZE keine gut zu deutende Lage vor, so wählt man, wenn möglich, eine der ZE darüber und/oder darunter, um die laufenden Chartstrukturen zunächst besser bestimmen zu können . Dadurch sollte es möglich sein, zu erkennen, wohin die präferierte ZE sich zukünftig entwickeln dürfte, indem man einen Abgleich sucht . Möchte man eine ZE handeln, in der keine klare Situation herrscht (wovon eher abzuraten ist), so hilft das Beobachten der sie umgebenden ZE dabei, die Geduld zu bewahren und eher dort nach einer geeigneten, klarer strukturierten ZE zu suchen, aus der heraus man handeln könnte.

Abbildung 5:  Adidas-Tages-Chart – Kerzen im Verbund mit Bollinger-Bändern

Kerzen mit Bollinger-Bandern.




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