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Rezessions- und Inflationsängste mehren sich
Das Inflationsgespenst hält die Märkte nicht nur in den USA auf Trab. Die hohe Inflation beschäftigt natürlich auch in Deutschland (die voraussichtliche Inflationsrate für den Juni 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat wurde jüngst von Destatis mit 7,6 Prozent angegeben) und in weiten Teilen der Eurozone (die voraussichtliche Inflationsrate für den Juni 2022 im Vergleich zum Vorjahresmonat wurde jüngst von Eurostat mit 8,6 Prozent angegeben) die Verbraucher, die in erster Linie die Triebfeder der konjunkturellen Entwicklung einer Volkswirtschaft darstellen.
EUR/USD – Rezessionsängste mehren sich
Greenback spielt den Status des sicheren Hafens aus
Das ist ganz besonders in einem recht hohen Ausmaß in den USA der Fall – der US-Verbraucher zeichnete in den letzten Jahren in der Regel rund 68 bis gar 70 Prozent für die gesamte US-BIP-Entwicklung verantwortlich. Geht dem US-Verbraucher die Puste aus, weil er aufgrund der gegen ihn arbeitenden Verbraucherpreisentwicklung weniger freie Mittel per Monat zur Verfügung hat, überlegt er sich wo er Einsparungen vornehmen kann. Wie es um den US-Verbraucher steht, dies konnte man beispielsweise bei einem der bekannten Indikatoren von „The Conference Board“ ablesen. Das Verbrauchervertrauen von „The Conference Board“ für den Juni wurde bereits am Dienstag, den 28. Juni 2022 ausgewiesen. Dieser wichtige Index für das US-Verbrauchervertrauen fiel im Juni auf 98,7 Punkte auf den tiefsten Stand seit dem Februar 2021. Die Erwartungen der Verbraucher in Bezug auf den Arbeitsmarkt, die Geschäftsaussichten, das Einkommen, rutschten unterhalb der Marke von 80 auf 66,4 Punkte ab – das ist der tiefste Stand seit dem März 2013 und ein Indikator für eine wesentlich schwächere Wirtschaftsentwicklung bis hin zu einer wachsenden Sorge vor einer Rezession bis zum Jahresende 2022.
US-Inflation blieb auch im Mai auf dem höchsten Stand seit über 40 Jahren
In den USA lag die Inflation auf 12-Monatsbasis mit dem letzten Stand vom Mai 2022 bei 8,6 Prozent und damit so hoch wie seit Dezember 1981 nicht mehr (die Juni-Verbraucherpreise für die USA werden am 13. Juli 2022 um 14:30 Uhr vom Bureau of Labor Statistics des U.S. Department of Labor zur Veröffentlichung erwartet). Energie verteuerte sich im Vergleichszeitraum um 34,6 Prozent, darunter allein Heizöl um 106,7 Prozent und Treibstoffe um 48,7 Prozent, während sich Elektrizität im Vergleich dazu lediglich um 12,0 Prozent verteuerte. Insgesamt ist es der Energiesektor, der seit geraumer Zeit hauptsächlich die Inflation treibt. Um den Auswirkungen der Inflation zu begegnen erhöht die US-Notenbank Federal Reserve (FED) mehr als nur beherzt die Zinsen. Aktuell liegt die „Target Rate“ bei 1,50 bis 1,75 Prozent. Man dürfte aller Wahrscheinlichkeit im Rahmen der nächsten FOMC-Sitzung am 27. Juli 2022 eine weitere Anhebung um 75 Basispunkte bekanntgeben und die „Target Rate“ folglich auf 2,25 bis 2,50 Prozent anheben. Zumindest preist man dies am Terminmarkt derzeit mit einer über 80prozentigen Wahrscheinlichkeit ein. Bis zum Ende des Jahres könnte die „Target Rate“ gut und gerne bei 3,25 bis 3,50 Prozent liegen (die Fed-Projektionen, die im Rahmen der Juni-Sitzung begleitend veröffentlicht wurden gaben dies mit einem Wert von 3,4 Prozent ja durchaus her).
Dies „bügelt“ die aktuell hohen Inflationsraten zwar nicht komplett weg, jedoch dürfte aufgrund einer konjunkturellen Verlangsamung bis hin zu einer Rezession die Inflationsrate auch wieder fallen (die Fed-Projektionen vom Juni 2022 wiesen auch hier schon darauf hin, dass die konjunkturelle Verlangsamung das US-BIP von zuvor 2,8 Prozent auf 1,7 Prozent in 2022 zurückfallen könnte). Die wesentlich straffere Geldpolitik der Fed bremste die Konjunktur bereits kräftiger aus – die US-Notenbank nimmt im Kampf gegen die Inflation eine erheblich schwächere Konjunktur bis hin zur Gefahr einer Rezession bewusst in Kauf. Die zuvor angekündigte Steuerung einer mit dem Ziel einer „sanften Landung“ der US-Wirtschaft könnte sich zu einer Übersteuerung hin zu einer eher „harten Landung“ auswachsen, die nun einmal unweigerlich in einer Rezession münden könnte. Dadurch dürften zwar die künftigen Inflationsraten deutlich moderater ausfallen, doch dürften eine Reihe von US-Amerikanern dafür einen hohen Preis zahlen müssen. Die Arbeitslosenrate wird möglicherweise in den kommenden Monaten wieder ansteigen.
S&P500 fiel im ersten Halbjahr so stark wie seit über 50 Jahren nicht mehr
Die Märkte waren in den letzten Wochen und Monaten bereits ein recht eindrucksvoller Seismograph und bildeten eine deutliche konjunkturelle Verlangsamung bis hin zur Rezessionsangst gebührend ab. Der marktbreite US-Leitindex S&P500 wies im ersten Halbjahr 2022 mit einem Verlust in Höhe von 20,6 Prozent ein so starkes Halbjahresminus auf wie seit dem Jahr 1970 nicht mehr. Demnach stellte diese Performance die schlechteste Wertentwicklung der führenden US-Aktien seit über 50 Jahren dar. Einem Bericht von Reuters zum Halbjahresabschluss H1/2022 zufolge ging im Rahmen dieser 20,6prozentigen Abwärtsbewegung eine Gesamtmarktwert von rund 8,5 Billionen US-Dollar in Rauch auf. Mit dem Minus von über 20 Prozent hat der S&P500 offiziell per definitionem den Bärenmarkt betreten. Die Experten von CFRA Data hoben in einem Research hervor, dass der S&P500 in den letzten 14 Bärenmärkten seit dem Jahr 1945 im Durchschnitt um 32 Prozent gefallen ist. Im Durchschnitt dauerten diese 14 Bärenmärkte rund 12 Monate – die benötigte Zeit vom Startpunkt der Abwärtsbewegung bis zurück zur schwarzen Null lag durchschnittlich bei 23 Monaten.
Welche Auswirkungen hat dies auf das Währungspaar EUR/USD? Nun, der US-Dollar spielt in Marktphasen eines herben Rückschlags, einer möglicherweise sogar drohenden Rezession, die sich durchaus auch auf die wichtigsten Volkswirtschaften und Währungsräume wie der Eurozone übertragen dürfte (derzeit sieht es eher dachs aus, als würde die Eurozone sogar zuvor in eine Rezession abgleiten) und vor allem in einem durch Risikoaversion geprägten Marktumfeld seinen Status als sicheren Hafen aus. Die im Vergleich zu den USA in der Eurozone besorgniserregenden Entwicklungen in Bezug auf die Energiesicherheit könnte die wichtigsten Volkswirtschaften der Eurozone schwer belasten und damit auch die europäische Gemeinschaftswährung weiter schwer unter Druck bringen. Die jüngst angekündigte Zinserhöhung der EZB wird an diesem Dilemma nicht viel rütteln können. Der Vorteil dürfte auf Sicht der nächsten drei bis sechs Monate noch beim US-Dollar zu suchen sein.
EUR/USD – der Blick in den Chart
Die vorliegende Analyse bezieht sich auf ein Vierstundenchartbild. Mittels einer Fibonacci-Analyse wären die Ziele für die Bullen und Bären möglicherweise näher abzuleiten. Hier wäre auf den Kursverlauf vom letzten Zwischentief des 15. Juni 2022 von 1,0357 bis zum letzten Zwischenhoch des 27. Juni 2022 von 1,06149 abzustellen. Demnach wären die nächsten Widerstände bei den Marken von 1,04555 (61.80%), 1,0486 (50.00%), 1,05164 (38.20%) 1,05540 (23.60%) und 1.06149 (0.00%) abzuleiten. Die nächsten Unterstützungen könnten beim Zwischentief von 1,03570 (100.00%), sowie bei den Projektionsstufen zur Unterseite bei 1,02869 (127.20%), 1,02585 (138.20%) und 1,01976 (161.80%) zu ermitteln sein. Ein Kursziel zur Oberseite könnte das Zwischenhoch von 1,06149 sein, zur Unterseite wäre die 161.80prozentige Fibonacci-Projektion von 1,01976 in den Fokus der Bären zu rücken. Ein großes Ziel der Bären wäre wohl definitiv die Parität.
Dem Chartbild wurden hier die beiden EMAs (EMA100 in blauer Farbe und EMA200 in roter Farbe) hinzugefügt. Der Relative-Strength-Index (RSI) wies zum Zeitpunkt dieser Analyse mit rund 39 Punkten noch ein neutrales Bild auf.
Autor: Dirk Friczewsky
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