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S&P 500: Neues Halbjahr, neue Probleme und wann kommt die Rezession?
Ein Pessimist ist ein Optimist, der nachgedacht hat, könnte man sagen. Allein beim Blick auf die Kurstafeln der letzten sechs Monate bekamen die Pessimisten natürlich ordentlich Nahrung. Die letzten Optimisten wurden dann möglicherweise auch noch zum Pessimisten. Dies ist dann oft schon ein Grund wieder über den antizyklischen Ansatz nachzudenken und sich neu „long“ zu positionieren, oder?
Stark fallende Aktien-Notierungen als Chance?
Auch fallende Notierungen am Aktienmarkt können ausgesprochen lukrativ für Trader sein. An dieser Stelle noch zu den stark gefallenen Notierungen der führenden Aktienindizes ein paar Worte, denn vielen Marktteilnehmern ist bis heute nicht ganz klar, dass man an der Börse auch in einem Marktumfeld mit fallenden Notierungen satte Gewinne einstreichen kann. Je nach dem gewählten Instrument, um von fallenden Notierungen zu profitieren, kann das Risiko im Falle von „Short“-Spekulationen im direkten Vergleich zu „Long only“ aber wesentlich höher sein. „Shortet“ man zum Beispiel Aktien oder ETFs direkt, so können diese Basiswerte natürlich immer weiter steigen und den „Short“ unsagbar verteuern – so lange verteuern, bis man den Trade nicht mehr halten kann und daran finanziell betrachtet zugrunde geht. Im Umkehrschluss wäre das Risikio bei „Long Only“ auf den Totalverlust begrenzt – kann demnach beispielsweise bis auf 0,00 US-Dollar fallen – das war es dann.
Das Risiko namens Börse – wer nicht wagt, der nicht gewinnt
Man kann alle Bereiche des täglichen Lebens und damit auch das Thema Börse natürlich immer von beiden Seiten betrachten, abwägen, ewig nachdenken, unsicher sein, eine ungeheure negative Erwartungshaltung an den Tag legen und viele Dinge mehr. Am Ende des Tages wird man sich nach all den positiven oder auch negativen Gedankengängen aber entscheiden müssen, positionieren müssen und damit auch etwas wagen müssen und dann ein Risiko eingehen - ansonsten hat man übrigens nicht nur an der Börse nichts zu suchen.
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt heißt es ja. Wer nicht etwas unternimmt, der wird vielleicht nicht direkt mit dem Börsenrisiko scheitern, aber an einer anderen Stelle des Lebens. Merke: Auch die Übervorsichtigen im Leben werden aufgrund ihres Müßiggangs irgendwann an anderer Stelle gestraft, weil sie schlichtweg eine schleichende Entwicklung verschlafen haben. Auch im allgemein betrachteten volkswirtschaftlichen Kontext oder eben damit auch an der Börse gibt es zahlreiche Beispiele für eine schleichende Entwicklung – die wohl schlimmste darunter ist die mittlerweile auf einem besorgniserregenden Niveau angekommene Inflation.
Neues Halbjahr – alte Probleme
Trader, Investoren, Sparer – zu welcher Gruppe man sich auch immer dazuzählen möchte, müssen schließlich zunächst die Inflation schlagen und erst dann kommt die Rendite. In Bezug auf die Eurozone betrug die Inflationsrate auf 12-Monatsbasis zuletzt im Mai 8,1 Prozent, in den USA lag die Inflationsrate (saisonal nicht adjustiert) auf 12-Monatssicht bei 8,6 Prozent. Allein mit dem Neutralisieren der Inflation dürfte das Gros der Marktteilnehmer inklusive vieler institutioneller Investoren mehr als nur beschäftigt sein – die meisten Markteilnehmer schaffen das nicht.
Die Inflationssorgen, die Inflationserwartungen dürften auch im zweiten Halbjahr 2022 nicht verschwinden oder sich erheblich reduzieren. Hinzu addieren sich unverändert die Sorgen in Bezug auf ein geringeres globales Wachstum, einer sich deutlich verlangsamenden konjunkturellen Entwicklung in den USA und einer weiter sehr straffen Geldpolitik der Federal Reserve, die die Zinsen bis zum Jahresende Schritt für Schritt anheben wird. Die Konsensschätzungen der Analysten von zahlreichen Investmentbanken, aber auch von Verbänden, Institutionen wie beispielsweise dem IWF oder auch der OECD wiesen in den letzten Monaten zumindest noch auf ein BIP-Wachstum in den USA von rund 2 bis 3 Prozent im laufenden Jahr hin. Das konnte sich zumindest noch sehen lassen. Eine Rezession für das Jahr 2023 ist deshalb aber noch lange nicht vom Tisch.
In jüngster Zeit wurde aber auch für die USA die BIP-Prognosen für 2022 und auch für 2023 nach unten revidiert. Die US-Notenbank selbst senkte ihre Wachstumserwartungen für die US-Wirtschaft, denn im Rahmen des letzten FOMC-Zinsentscheids vom 15. Juni 2022 wurden auch die „Fed-Projections“ veröffentlicht. Diese wiesen lediglich ein Plus von 1,7 Prozent für 2022 und auch für 2023 auf. Noch im März lagen diese Werte bei 2,8 Prozent beziehungsweise 2,2 Prozent. Auch die Arbeitslosenrate könnte von 3,5 Prozent zuvor nunmehr auf 3,7 Prozent in 2022 und 3,9 Prozent in 2023 ansteigen. Die Zinsprojektion zog von durchschnittlich 1,9 Prozent im März auf 3,4 Prozent im Juni an, in 2023 soll die „Federal Funds Rate“ bei durchschnittlich 3,8 Prozent liegen. Das „soft landing“, also diese sprichwörtlich von der Fed zu steuernde „sanfte Landung“ der US-Wirtschaft könnte im Falle von zusätzlichen geopolitischen Unwägbarkeiten aber auch zur Bruchlandung werden. Die zusätzlichen Sorgen wären die Wachstumsraten bei den Unternehmen, die Margen dürften quer durch viele Sektoren aufgrund der enorm gestiegenen Energiepreise weiter unter Druck geraten.
Das Sentiment als Kontraindikator – wenn die Markteilnehmer zu pessimistisch sind
Allein im Hinblick auf die vielen hier obig aufgezählten Punkte mag man sich schon fragen, wo hier etwaiger Optimismus abzuleiten wäre. Nun, extreme Angst und extremer Pessimismus gehen Hand in Hand. Je mehr Anleger extrem negativ eingestellt sind, desto eher bieten sich auch Chancen auf eine zwischenzeitliche Erholung.
Außerdem könnten nach den mittlerweile schon im historischen Vergleich über die letzten Jahrzehnte extrem gefallenen Markt, wie dem S&P500, auch schon sehr viele negative Faktoren ausreichend eingepreist worden sein. Die Börse ist ja ihrer Zeit meistens voraus und sie preist oft bereits die Entwicklung der nächsten drei bis sechs Monate in den jeweiligen Kursen ein – so auch beim marktbreiten US-Index S&P500 (SPX). Zum Zeitpunkt dieser Analyse wies der S&P500 eine 2022er-Minus von 17,93 Prozent auf.
S&P500 – was sagt die Charttechnik?
Die vorliegende technische Analyse erfolgt am Tageschartbild. Um die Ziele der Bullen und Bären näher definieren zu können, wäre auf eine Fibonacci-Analyse abzustellen. Die jeweiligen Fibonacci-Retracements und Fibonacci-Projektionen könnten dann zur Ableitung für die Ziele zur Ober- und Unterseite herangezogen werden.
Ausgehend vom Rekordhoch des 05. Januar 2022 von 4.816,62 Punkten bis zum Zwischentief des 17. Juni 2022 von 3.636,87 Punkten, wären die nächsten Widerstände bei den Marken von 3.915,76 Punkten (23.60%), 4.088,30 Punkten (38.20%), 4.227,75 Punkten (50.00%) und 4.367,40 Punkten (61.80%) zu ermitteln. Die Unterstützungen kämen bei 3.809,41 Punkten (14.60%) und 3.636,87 Punkten (0.00%) in Betracht. Eine weitere Unterstützung und damit ein nicht uninteressantes Ziel der Bären könnte das Vor-Corona-Hoch vom 19. Februar 2020 mit 3.393,52 Punkten sein. Dem Chartbild wurden obendrein die beiden EMAs (EMA100 in blauer Farbe und EMA200 in roter Farbe) hinzugefügt. Zur Oberseite wäre ein Ziel beim 50.00prozentigen Fibonacci-Retracement in Kombination mit den beiden EMAs möglich. Zur Unterseite stünde möglicherweise ein nochmaliger Test des letzten Verlaufstiefs von 3.636,87 Punkten (0.00%) zur Disposition. Der Relative-Strength-Index (RSI) indiziert mit 48,66 Punkten derzeit noch eine neutrale Marktverfassung.
Autor: Dirk Friczewsky
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